The Toughest Tenors | 15.09.2023

Donaukurier | Karl Leitner
 

Um neue Erfahrungen zu sammeln, lässt sich manch einer „den Wind um die Nase wehen“. Laut Redewendung zumindest. Selbiges funktioniert aber auch mit den Ohren. Bestes Beispiel: The Toughest Tenors aus Berlin mit den beiden Tenorsaxofonisten Bernd Suchland und Patrick Braun. Völlig unverstärkt wuchten sie ihr HadBop-Statement ins Gewölbe des Birdland Jazzclubs, wobei diejenigen, die besonders nah an der Bühne sitzen, durchaus eine gehörige Dröhnung abbekommen.

Eindringlich, mit enormer Dynamik gehen sie zu Werke, entfachen wahre Druckwellen, denen man sich nicht entziehen kann. Das will aber auch niemand im Saal, denn das Feuer, dass die Band entfacht, ist ansteckend, und ehe man sich’s versieht, brennt man selber lichterloh, ein paar Minuten vielleicht noch ungläubig staunend, dann um so begeisterter. Wen diese exakt auf den Punkt gebrachte, bei aller Hitze der Musik doch so herrlich cool präsentierten Stücke nicht umhauen, dem ist nicht zu helfen. Es gibt Momente an diesem Abend, an denen fühlt man sich regelrecht an die Wand gedrückt. Nicht wegen übermäßiger Lautstärke, allein wegen der Intensität.

Früher gab es die berühmten „Saxophone Battles“ in den namhaften Clubs in New York, in denen es nicht selten darum ging, wer wen zuerst von der Bühne blies. Spuren davon finden sich auch an diesem Abend im Birdland, wobei die Band mit dem markanten Kontrabassisten Lars Gühlke als stetem Unruheherd und dem permanent im Hochleistungsmodus agierenden Ralf Ruh am Schlagzeug die Energiequellen sind, aus denen die beiden Tenoristen schöpfen, auf deren Fundament sich zu ihren Parforce-Ritten aufschwingen. Lediglich Dan-Robin Matthies am Flügel lässt es ein klein wenig ruhiger angehen. Wenn er soliert, holen die anderen quasi Luft für neue Attacken.

Das Songmaterial stammt weitgehend aus den 1950-er und 1960-er Jahren. Es gibt ein paar Standards wie Dexter Gordon’s „It’s You Or No One“ oder Isham Jones‘ „It Had To Be You“, aber zum Glück auch die feurigen Dialoge bei Dizzy Gillespie’s „Ow“, Lionel Hampton’s hinreißende Ballade „Midnight Sun“ und den mächtigen Sound von Wes Montgomery’s „Full House“ und damit Kompositionen, die zwar in die Kategorie der Klassiker passen, aber nicht in die der bereits tausendmal gecoverten. Suchland und Braun haben zwar jeder für sich eigene Stilistiken und Vorlieben entwickelt – ersterer die eher schlanken Linien mit all ihren Windungen, Braun mehr den voluminösen Bereich, die fetten, satten Töne, die Überblastechnik – verfügen jedoch auch über genügend Talent, sich einzufühlen in einst stilbildende Kollegen wie Johnny Griffin, Lester Young, Dexter Gordon oder Ben Webster. Das mag nach Beliebigkeit klingen, hat damit aber nichts zu tun, sondern vielmehr mit Vielfalt, denn die beiden stellen nicht sich selbst in den Mittelpunkt, sondern ihr Instrument und die mannigfachen mit ihm verbundenen musikalischen Optionen vor dem Hintergrund einer schier unerschöpflichen Saxofonliteratur. – Und so räumen The Thoughest Tenors ziemlich ab an diesem Abend im Birdland und manch einer im Publikum mag sich fast ein wenig „erschlagen“ vorkommen, was in diesem Fall freilich nichts mit Körperverletzung zu tun hat, dafür aber viel mit einem überaus guten Gefühl.