Swingin‘ Ladies + 2 | 11.05.2024

Neuburger Rundschau | Reinhard Köchl
 

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Die Damen haben nicht etwa ihre männlichen Anhängsel zur Ausübung ihres Hobbys mitgebracht, sondern wollen mit dem eigenwilligen Namen „Swinging Ladies + 2“ vor allem ihr Alleinstellungsmerkmal hervorheben. Denn Nicki Parrott, Stephanie Trick, Paolo Alderighi und Engelbert Wrobel verstehen sich als absolut gleichberechtigte, bestens aufeinander eingespielte Combo, die im rappenvollen Birdland (muss man eigentlich angesichts der kontinuierlich vollen Reihen in den vergangenen Monaten kaum mehr erwähnen) für allerfeinste Unterhaltungsmomente im kommoden Fußwipp-Puls sorgt.

Was auf den ersten Moment wie die schleichende Einführung der Quote in einen der renommiertesten Jazztempel der Republik klingt, ist in Wahrheit ein launiger, bestens disponierter Abend, der die Menschen im Hofapothekenkeller mit jeder Note abholt und auf eine Reise durch die Wunderwelt des Swing, des Stride und der bekanntesten amerikanischen Standards mitnimmt. Die beiden virtuosen Ladies, die von zwei nicht minder kompetenten Gentlemen flankiert werden, wirken in ihrer mannschaftlichen Geschlossenheit fast wie eine Juke-Box: Wir spielen das, was sie sich schon immer gewünscht haben! Allein die Ankündigung von Gassenhauern mit jeder Menge Ohrwurmpotenzial wie Fats Dominos „Blueberry Hill“, „Tico Tico“, „Bei mir bist du scheen“ oder „La Vie En Rose“ entlockt den dauerlächelnden Menschen ein langgezogenes „Aha“. Wenn der Titel eines Songs wie „Tea For Two“ fällt, dann seufzt das Publikum schon mal vorab selig in froher Erwartung. Und es weiß ganz genau, warum: Diese Art von Swing kommt exakt auf den Punkt und löst wegen ihres Wiederkennungseffektes Sturzbäche von kollektiven Glücksgefühlen aus.

Jedes der vier Bandmitglieder bekommt seine Bühne, jeder darf mal ansagen, keiner bleibt auf der Strecke. Wobei – ein Piano, dessen 88 Tasten von vier Händen bearbeitet werden und dessen Besitzer sich eng auf eng eine Klavierbank teilen müssen, normalerweise durchaus Konfliktpotenzial birgt. Nicht jedoch bei der Amerikanerin Stephanie Trick und dem Italiener Paolo Alderighi. Beide teilen ihre Leidenschaft für den Stride und den Ragtime nicht nur im beruflichen, sondern auch im privaten Leben – Szenen einer Klavierehe eben. Da gibt es kein Platzgerangel, kein Keifen, keine linken Tricks, keiner versucht, den anderen zu übertrumpfen, sondern lässt ihr oder ihm stets genügend Raum und ergänzt sich beim wieselflinken Ritt über das Elfenbein. Manchmal scheint es gar, als würden die beiden sogar am Flügel diskutieren. Wobei Stephanie Trick mit ihrem atemberaubenden Solo zu Jelly Roll Mortons „The Fingerbreaker“ (nomen est omen!) ein absolutes Highlight setzt.

Die zweite Pärchen-Konstellation ergibt sich in Person der eleganten kanadischen Bassistin und Sängerin Nicki Parrott und des feinen deutschen Klarinettisten und Tenorsaxofonisten Engelbert Wrobel. Ob als Gesangsduo in „The World ist Waiting For The Sunshine“ oder im rhythmischen Kolorieren der Piano-Intermezzi: Parrott und Birdland-Stammgast Wrobel werfen ihre immensen Fähigkeiten stets dafür in die Waagschale, die Band als Ganzes glänzen zu lassen. Da geht es vom gemütlichen Kaffeehaus-Trott gleich der Gangschaltung eines Sportwagens in den rasenden Schweinsgalopp. Alderighi lässt die Tasten fliegen, Trick übernimmt fliegend, Parrott zupft ihren Walkingbass, dass die Saiten glühen und die Fingernägel abbrechen, während Wrobel wahlweise die Klarinette wie Woody Hermann oder das Tenorsax wie Louis Jordan jubilieren oder röhren lässt. Ein feiner Jazzabend wie perlender Champagner; formvollendet, edel, geschliffen, mit – natürlich – wieder einmal frenetischen Publikumsreaktionen. Gerne wieder!