Joe Haider Trio & Amigern String Quartet | 17.05.2024

Donaukurier | Karl Leitner
 

Man benötigt kein Mathematikstudium, um zu erkennen, dass diese Gleichung falsch ist. In diesem Falle freilich stimmt sie erstaunlicherweise doch, denn das gemeinsame Konzert des Joe Haider Trios und des Amigern String Quartets ergibt zwar rein rechnerisch eine Ansammlung von sieben Musikern und Musikerinnen auf der Bühne des Birdland Jazzclubs, aber eben auch eine aus ursprünglich zwei Ensembles gebildete, absolute Einheit, die Musik spielt, die sich anhört und anfühlt, als sei sie dem Kollektiv wie auf den Leib geschrieben. Was sie natürlich auch ist.

Initiator des Projekts namens „Rosalie’s Dream“, zu dem eine Tournee, eine CD gleichen Namens und an diesem Abend ein Programm mit elf Stücken gehört, ist der deutsch-schweizerische Pianist Joe Haider. Mit mittlerweile 88 Jahren ist er umtriebig und kreativ wie eh und je, komponiert, arrangiert, zieht die Fäden mal hinter großen Ensembles, mal für sein eigenes Trio mit ihm selbst am Flügel, mit Lorenz Beyerler am Kontrabass und Claudio Strüby am Schlagzeug, und nun also für ein Septett aus Jazzband und Streichquartett. Vincent Millioud (1. Geige), Sebastian Lötscher (2. Geige), Francesca Verga (Bratsche) und Valentina Velkova (Violoncello) verzahnen sich mit Haiders Swing- und Mainstream-Trio, was zum einen an dessen maßgeschneiderten Arrangements liegt, aber auch daran, dass es hier absolut keine genrebedingten Berührungsängste gibt, weswegen man sich erst annähern oder auf einem eigentlich fremden Terrain beweisen müsste.

Ausgangspunkt des Amigern String Quartet um Vincent Millioud, den Haider nicht ganz zu Unrecht als „Teufelsgeiger“ bezeichnet, ist die Klassik, aber Jazz und Folk sind dem Ensemble durchaus vertraut, was die Sache natürlich erleichtert. Vor allem Millioud selber legt sich solistisch mächtig ins Zeug und legt auf die mit viel Elan und ungebremster Spielfreude intonierten Stücke noch eine Schippe obendrauf. Das Konzept steckt voller Überraschungen, verbindet Energie und Drive mit ausgefuchsten Arrangements und höchster Spielkultur. Alle ticken und denken gleich, weswegen es auch so gut funktioniert, sei es bei den Haider’schen Eigenkompositionen wie „My Grandfather’s Garden“, „Marcelles Granddaughter“, „Soultime“ und „Kollektiv 7“, dem Titel, quasi Programm ist, wie auch bei den Adaptionen. Zweimal Duke Ellington mit „Caravan“ und „The Single Petal Of A Rose“ und „Parker’s Mood“, komplett neu arrangiert, fügen sich perfekt ein in diese absolut schlüssigen Rahmenbedingungen, zu denen selbstverständlich auch die ausgiebigen, launigen Ansagen gehören über Stationen seines Künstler- und Privatlebens. Ohne die kleinen Geschichten und Anekdoten zwischen den einzelnen Stücken ist Haider nicht denkbar.

„Das Wichtigste ist, dass die Musik Spaß macht.“ sagt er. Genau das macht sie. Seinem Publikum, seinen Kolleginnen und Kollegen auf der Bühne und nicht zuletzt ihm selbst, wie man deutlich merkt. Seit seinen Kindertagen, als er im von GI’s besetzten Stuttgart erstmals mit dem Jazz in Berührung kam, bis heute, wenn er mit Kollegen spielt, die allesamt seine Enkel sein könnten. Die aktuelle Tour werde wahrscheinlich seine letzte sein, fügt er lakonisch hinzu. Nach diesem überragenden Konzert glaubt ihm das natürlich kein Mensch.