Harry Allen & Martin Sasse Quartet | 25.09.2023

Donaukurier | Karl Leitner
 

Die zum Konzert gehörige CD mit dem Titel „Live At Bird’s Eye“ erscheint offiziell zwar erst in der kommenden Woche, aber die Musiker, die auf dem in Basel mitgeschnittenen Tonträger zu hören sind, stellen einen Teil daraus derzeit auf einen kleinen Tour durch Deutschland und dessen Nachbarländer vor. Aus ähnlichen Gründen fahren viele Bands bei solchen Gelegenheiten regelmäßig auch den Neuburger Birdland Jazzclub an. So auch der Kölner Meisterpianist Martin Sasse, Markus Schieferdecker aus Bremen, Joost van Schaik aus dem niederländischen Zwolle und der Tenorsaxofonist Harry Allen aus Washington D.C..

Es gibt Musik, die mag zwar voller Traditionen stecken, sich auf alte Werte besinnen und alles andere als revolutionär sein, aber bei all ihrer Bodenständigkeit trotzdem – oder vielleicht auch gerade deswegen – überaus charmant und elegant klingen. Die Musik des Quartetts, das ja eigentlich ein allenthalben und immer wieder erneut für Aufsehen sorgendes Ensemble aus Sasses Basistrio plus Gast besteht, ist so ein Fall. Man bewegt sich in einem vorher festgelegten harmonischen Rahmen und lotet ihn mit cooler Souveränität aus. Da gibt es zwar jede menge Dynamik, aber eben keine Hektik, solistischen Einfallsreichtum aber eben kein orientierungsloses Gedudel, straffe Linienführung statt melodischer Unübersichtlichkeit. Sinn für das was passt, eine gewisse Stringenz, absolute Perfektion und Reinheit im Ensemblespiel, Ästhetik und Geschmack in der Ausgestaltung der Soli – für diese Aspekte hat man sich vorher gemeinsam entschieden und zieht das vor Ort auch gemeinsam durch.

Wobei sich die beiden Hauptsolisten Sasse und Allen auf zwei absolut tighte und perfekt harmonierende Rhythmiker stützen können, die mit ihren eigenen solistischen Einwürfen das Konzept zusätzlich verfeinern. Sasse, der auch als Komponist in Erscheinung tritt, ist ein Meister des unaufdringlich federnden Grooves, der lyrischen Einsprengsel und auch als Bandleader ein begnadeter Teamplayer, einer, der in der Vergangenheit mit Sting ebenso zurechtkam wie mit Bobby McFerrin und Lee Konitz. Ihn als Alleskönner mit markanter eigener Handschrift zu bezeichnen, wäre sicher nicht vermessen.

Was über Harry Allen im Birdland-Programmheft steht, bewahrheitet sich an diesem Abend absolut. Er erinnere „an die frappierende Technik eines Stan Getz“ – den er auch öfter mal zitiert – , „den Balladenschmelz eines Lester Young, den Drive von Coleman Hawkins oder das famose Gefühl für Time eines Zoot Sims.“ Und wenn dann er und Sasse gemeinsam auf einer Bühne stehen und all ihre Talente und auch noch die ihrer Kollegen aus der Backline zusammenwerfen, dann kommt solch unwiderstehliche, wunderbar zeitlose und doch hochaktuelle Musik zustande wie die an diesem Abend im Birdland.

Wobei es völlig egal ist, ob altgediente Stücke wie Ray Noble’s „Cherokee“ oder neues Material wie Sasses hinreißende Ballade „For Lovers“ oder Allen’s „Each And Every Yesterday“ intoniert werden. Oder das launische „Tea For You“ als Antwort auf das deutlich berühmtere „Tea For Two“. Das Martin Sasse & Harry Allen Quartet: in jeder Phase eine Sache für Genießer und musikalische Gourmets.