Claus Raible Trio | 30.09.2023

Donaukurier | Karl Leitner
 

Claus Raible ist im Neu­burger Birdland Jzzclub kein Unbekann­ter. Immer wieder mal gibt er – in den al­lermeisten Fällen im klassischen Format des Pianotrios mit Xaver Hellmeier am Schlagzeug und Giorgios Antoniou am Kontrabass – seine musikaische Visiten­karte ab.

Immer dann, wenn er sich auf den Stuhl mit Lehne – nie ist es ein Pianohocker – fläzt und loslegt, geht es um Bebop, um Standards, um originelle Neuinterpretatio­nen, riecht es nach The­lonious Monk oder Bud Powell, und auch das Publikum lehnt sich entspannt zurück und weiß wenigstens ungefähr, was es zu erwarten hat. Meint es zumin­dest zu wissen. Nein, diesmal hat der Pia­nist neue Saiten aufgezogen. Nicht im Bösendorfer-Flügel, wohl aber das Pro­gramm betreffend, spielt er doch jede Menge brandneuer Eigenkompositionen aus seinem mit den Musikern des Abends jüngst aufgenommenen Album mit dem vielsagenden Titel „Fugitive Figu­res“.

Dabei macht er sich die Tatsache zunut­ze, dass er keiner Sessionband vorsteht, sondern einem top-eingespielten Trio, in dem sich jeder selbst, man sich unterein­ander und jeder die Stücke im Schlaf kennt. „Wir haben keine Noten und nicht mal eine Setlist“, sagt er gleich zu Be­ginn des Konzerts. „Brauchen wir nicht, weil wir wissen, dass wir die gleiche mu­sikalische Spra­che sprechen“, was nichts anderes ist als eine Umschreibung für blindes Verständ­nis. Nach wie vor ist das, was das Trio macht, nichts anderes als Bebop – in die­ser Hinsicht lässt er sich nicht von sei­nem Weg abbringen – bestehend aber eben aus Stücken mit ho­hem Überra­schungspotential. Claus Rai­ble ist schließlich nicht nur ein exzellen­ter Pianist mit eigener Note, sondern auch ein über­aus bemer­kenswerter Kom­ponist.

Jeder bekommt genügend Raum, sich solistisch auszeichnen. Und tut das auch, aber in der Zeit limitiert. Endlose Soli gibt es hier nicht, dafür eine größere An­zahl an Kompakt-Versionen von „What Love Exotique“, Accelerando In Blue“ und „Close Hauled“ und etlichen ande­ren aus dem neuen Album. Es soll ja auch noch Zeit sein, sich vor den Großen des Jazz zu verbeugen, vor Bud Powell mit „Tempus Fuge It“, vor Tadd Dame­ron mit „Our Delight“ oder vor Dizzy Gillespie mit „A Night In Tunisia“. Und vor der Drum-Legende Ed Thigpen, mit der zusammen er 2004 im Birdland unter anderem „Body And Soul“ spielte, auf Band mitschnitt und als CD veröffent­lichte.

Wobei eine Konserve, nicht mal eine solch herausragende wie die erwähnte, ein Livekonzert ersetzen kann. Man sitzt im Zentrum des Geschehens, spürt im Optimalfall, wie die Musik atmet, be­ginnt zu fließen, wie Ideen in den Raum geworfen werden, die durchaus mit dem Risiko behaftet sind, nicht zu funktionie­ren. Tun sie es aber, erzeugt das eine Art Hochgefühl. Momente, in denen das pas­siert, gibt es viele an diesem Abend. Rai­ble sitzt auf seinem Stuhl, dehnt sich nach hinten, beugt sich nach vorne, emp­findet seine Stücke körperlich mit. Wahr­scheinlich liegen die Eindringlichkeit und die Wahrhaftigkeit seines Tuns auch darin begründet, dass er seine Musik nicht nur spielt, komponiert und arran­giert, sondern dass Bebop ganz einfach sein Leben ist. Im Grunde kann er gar nicht anders. Was für ein Glück, dass es so ist.