Presse

Nice Brazil & Group | 01.06.2024
Neuburger Rundschau | Reinhard Köchl
 

Nie war die Imagination von Sommer, Sonne und Strand, von den schwebenden, federleichten Sambas Brasiliens passender als diesmal.

Während es am Samstag in Neuburg draußen pausenlos regnet und das Wasser der Donau immer weiter steigt, versucht Nice Brazil drinnen im Birdland, mit nur wenigen Takten die dunklen Wolken zu vertreiben. Es ist das Finale einer aufregenden, abwechslungsreichen, grandios besuchten, für viele schlicht besten Saison, die der Neuburger Jazzclub im Laufe seines 66-jährigen Bestehens je erlebt hat. Und selbst wenn parallel dazu im Fernsehen ein anderes Finale, nämlich das der Champions League, läuft, ist der Keller unter der Hofapotheke – natürlich – wieder einmal voll besetzt.

Mag sein, dass deshalb bei manchem der Eindruck entsteht, dies sei mittlerweile irgendwie selbstverständlich. Aber selbst das Beispiel der seit Anfang der 1990er Jahre in Deutschland lebenden brasilianischen Sängerin führt einem vor Augen, dass es im Birdland spätestens seit dem Neustart nach der Corona-Pandemie für jede Spielart des Jazz, sei es nun fluffiger Swing, spritziger Bosso, introvertiertes Pianotrio, grooviger Fusion oder experimentelle Avantgarde, ein eigenes, fachkundiges Publikum gibt, dass sich seine Konzerte ganz bewusst aussucht und diese dann auch in der unvergleichlichen Atmosphäre der Katakomben in der Neuburger Altstadt in vollen Zügen genießt. Dass bei der aus São Paulo stammenden Vokalistin mit dem Kraushaar vor allem die Generation Ü 55 den Weg in den Jazzkeller gefunden hat, überrascht deshalb niemanden. Die Menschen goutieren die Geschenke, die ihnen Nice Brazil und ihre kongenialen Mitstreiter Joel Lochner am Kontrabass, Dirik Schiltgen am Schlagzeug und Ricardo Fiuza am Bösendorfer Flügel offerieren, mit mehr als nur Wohlwollen, obwohl die vier auf der Bühne keine musikalischen Wunder vollbringen. Die Frau mit dem Mikrofon interpretiert charmant die leichtfüßig swingenden Kompositionen aus eigener Feder wie Minhas Raízes“ oder Cover-Songs der klassischen Bossa-Literatur wie João Gilbertos „Pra Que Discutier Com Madame“ (Mit dieser Dame muss man nicht diskutieren), „Artigo de Luxo“ oder „Se Queres Saber“, tänzelt zwischen den Extremen hin und her – mal temperamentvoll, mal leise, mal meditativ, an der Grenze zum Hauchen, zur Stille. Natürlich intoniert Nice Brazil nichts anderes als die Seele brasilianischer Musik, und sie tut dies gut. Aber sie ist keine strahlende Vokalistin, keine kapriziöse Diva, die den gesamten Raum einnimmt, sondern eine gut gelaunte Frau, die ihr Repertoire mit all der in über drei Jahrzehnten erworbenen Routine lebt. Vielleicht hätte man sich zum Abschluss dieses eindrucksvollen Spieljahres etwas mehr Feuer, eine klingende Prise Tabasco wünschen können. So jedoch plätschert das Konzert etwas gleichförmig dahin – wie der Regen, der draußen pausenlos die Mauern der Altstadt hinuntertröpfelt.

Der Höhepunkt kommt ausgerechnet zum Schluss, bei dem Nice Brazil das dankbare Publikum einfach den Part eines vielstimmigen Chores beim Gassenhauer „Garota de Ipanema“ übernehmen lässt, das die meisten vor allem als „Girl From Impanema“ kennen. Als der Hofapothekenkeller beseelt den Refrain mitsingt, spürt man noch einmal die Magie dieses Raumes, bei dem sich dann selbst ein solider, keinesfalls überragender Abend noch dank der anwesenden Jazz-Afficionados zu einem Ereignis mit Langzeitwirkung entwickeln kann. Auf ein Neues im September!

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Neuburger-Rundschau
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03.06.2024

Kultur regional


Nice Brazil & Group | 01.06.2024
Donaukurier | Karl Leitner
 

Draußen sorgt der Dauerregen für Hochwassergefahr und man denkt an vollgelaufene Keller und überflutete Straßen. Drinnen präsentiert die in Sao Paolo geborene und in Deutschland lebende Sängerin Nice Brazil zusammen mit Ricardo Fiuza am Klavier, Joel Locher am Kontrabass und Dirik Schiltgen am Schlagzeug den Gegenentwurf mit Samba, Bossa Nova und Rumba, verbreitet damit brasilianisches Flair und tut ihr bestes, das meteorologische Tief durch ein musikalisches Hoch zu ersetzen.

Gleichzeitig beschließen sie und ihre Kollegen damit auch die Konzertsaison 2023/24 im Birdland, in der so viele Veranstaltungen ausverkauft oder doch zumindest sehr gut besucht waren wie selten zuvor. Auch die große Anzahl neuer und vor allem junger Jazzfans ist bemerkenswert. Hier wurde nach den durch Corona bedingten Einschränkungen eine deutliche Veränderung sichtbar. Stammpublikum und Leute, die nur mal eben „hineinschmecken“ wollen in die Welt des Jazz und dann hängen bleiben und wieder kommen – das sieht nach einer gesunden Entwicklung aus und lässt die Verantwortlichen zuversichtlich in die Zukunft blicken.

Der Abend mit Nice Brazil spiegelt diese Tendenz fast exemplarisch wider. Trotz einiger – wohl des Wetters wegen – kurzfristig unbesetzt gebliebener Plätze spielt die Band vor ausverkauftem Haus und erntet heftigen Applaus. Und das trotz eines Repertoires, das auf Latin-Klassiker, Karnevalsschlager und die üblichen Gassenhauer Made in Brazil ausdrücklich verzichtet. Statt dessen bietet die Sängerin mit ihrer außergewöhnlichen Stimme, die ebenso für leise Passagen wie auch für temperamentvollen Scat steht, lieber Stücke aus den Fünfziger, Sechziger und Siebziger Jahren an, also auch aus der Zeit der Militärdiktatur (1964-1985), in der besonders viele Songs entstanden, die Lyrik und politische Aussagen miteinander verknüpften. Die garniert sie mit Material aus eigener Feder, stellt also eine Verbindung her von „Artigo de Luxo“ („Luxusartikel“) und „Pra Là e Pra Cà“ („Hin und Her“) zu „Minhas Raizes“ („Meine Wurzeln“) und „Pra Que Discutir Com Madame“ von João Gilberto, in dem es um Versuche geht, die Sambamusik zu verbieten.

Wer dabei feurige Klänge erwartet und Momente, in denen gnadenlos die Post abgeht, kommt trotz des Etiketts „Latin“ eher nicht auf seine Kosten. Die Band setzt nicht darauf, mitzureißen, sondern schubst sein Publikum eher behutsam in Richtung Entspanntheit, Zwanglosigkeit und Gelassenheit. Man schließt die Augen, groovt mit und hat eine gute Zeit dabei. So kann Musik aus Brasilien also auch funktionieren, auch wenn man auf diese Art ein Publikum längst nicht so leicht „knacken“ kann als mit Reproduktionen großer Hits. Dass in der Zugabe dann doch noch Antonio Carlos Jobim’s „The Girl From Ipanema“ auftaucht, ist nach dem komplett anders konzipierten Vorlauf denn auch eher überraschend.

Wer nach dem Konzert vor die Türe tritt, stellt überrascht fest, dass der Regen tatsächlich eine Pause eingelegt hat. Die hat ab sofort auch das Birdland-Publikum, denn der Club geht in die Sommerpause. Die ersten Termine danach sind das ebenfalls vom Birdland betreute Konzert der SwingIN Big Band im Ingolstädter Audi Forum am 12. und die beiden Auftritte des US-Tenorsaxofonisten Scott Hamilton und seiner Band am 13. und 14. September im Birdland in Neuburg.


Wolfert Brederode & Matangi Quartett & Joost Lijbaart
„Ruins And Remains” | 31.05.2024

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Wahrlich ein weites Feld, zu erleben auf dem überschaubaren Raum des Jazzkellers binnen einer Woche von einem Pol zum anderen. Hier der Hot Stuff mit seinen Ursprüngen im frühen 20. Jahrhundert, da die Grenzregion zur Neuen Musik, die Katastrophe der nämlichen Zeit erkundet von dem niederländischen Pianisten und Komponisten Wolfert Brederode gemeinsam mit seinem überaus sensitiven Bruder im Rhythmus, dem Perkussionisten und Drummer Joost Lijbaart, sowie dem Matangi Quartett.

»Ruins And Remains« hieß das überaus empfindsame Programm, das dem Birdland Jazzclub den in diesen Räumen eher seltenen Anblick eines veritablen klassischen Streichquartetts gewährte. Ernst ging es dabei zu, mit eher vagen Klängen, verhangenen Melodien, subtilen Andeutungen, impressionistisch anmutenden Klangbildern und wie im Nebel versunkenen Soundscapes.

Mal um Mal schälte sich Konkreteres heraus, dann etwa, wenn Wolfert Brederode inmitten der weitgehend ausnotierten Kompositionen zu kraftvoll sperrigen Improvisationen anhob, die Glut anfachte und die Musik der hellwach und empathisch interagierenden Akteure des Sextetts wie ein schwebender Teppich emporstieg, Momente der Hoffnung zu schenken.

Da hieß es zuhören, beide Sets wurden jeweils am Stück durchgespielt, eine eng zusammenhängende Suite aus Impressionen, Ahnungen, Erinnerungen und ungewissen Perspektiven.

2018 ist das geradezu kontemplative Werk entstanden, eine Auftragskomposition zum 100jährigen Gedenken des großen Krieges, der als Erster Weltkrieg in die Geschichte einging und so viel Zerstörung hinterließ an Land, Leib und Seele der Menschen. „Verlust, Kummer und Resilienz jener Zeit“ spiegelt das Werk, wobei Brederode nicht allen die individuelle, persönliche Resilienz im Blick hat, sondern letztere auch in einem weiteren, gemeinschaftsbezogenen Sinne versteht. So gilt die Musik von »Ruins And Remanis« gerade auch unseren Tagen.

Die Erinnerung an Überstandenes mag die Gegenwart bewältigen helfen, die Vergangenheit auch in ihren düsteren Momenten die Gegenwart zu Besserem inspirieren und die evolutionäre Kraft des kreativen Prozesses die Melancholie überwinden zu hoffender Tatkraft. Das Ende freilich bleibt offen, die Mühe uns Menschen anvertraut.


Wolfert Brederode & Matangi Quartett & Joost Lijbaart
„Ruins And Remains” | 31.05.2024

Donaukurier | Karl Leitner
 

Wer sich vorher informiert, tut sich leichter mit der Rezeption. Das gilt ganz besonders dann, wenn solch außergewöhnliche Musik erklingt wie an diesem Abend im Birdland Jazzclub in Neuburg. Aus den Niederlanden haben sich für ein gemeinsames Konzert der Pianist Wolfert Brederode, der Perkussionist Joost Lijbaart und das Matangi Quartet mit den beiden Geigerinnen Maria-Paula Majoor und Hannelore DeVuyst, dem Bratschisten Karsten Kleijer und dem Cellisten Arno van der Vuurst angekündigt, im Gepäck Broderode’s 14teilige Suite „Ruins And Remains.“

Es handelt sich dabei, wie man glücklicherweise im Programmheft nachlesen kann, um das Ergebnis „einer Auftragskomposition zum 100. Jahrestag der Beendigung des Ersten Weltkriegs“, wobei das gut anderthalb stündige Werk „am 11. November 2018, dem sogenannten Armistice Day“ erstmals aufgeführt wurde. Wenn man das weiß, macht nicht nur der Titel „Ruins And Remains“, zu deutsch: „Ruinen und Überreste“, Sinn, sondern auch die Musik, in der programmatische Elemente, Jazz und auch die zeitgenössische Klassik zusammenfließen zu einem absolut eigenständigen Soundtrack zur Katastrophe zwischen dem Attentat von Sarajevo und dem Vertrag von Versailles.

Der kompositorische Zyklus aus Broderode’s Feder beginnt mit dem Ticken einer Uhr, einer Zeitbombe, die Pauke sorgt für Kanonenfeuer, das aus der Ferne zu hören ist, vor dem inneren Auge entstehen Bilder totaler Zerstörung, zerschossener, menschenleerer Orte. Dissonanzen verkünden Verlust und Tod, gesichtslose Soldaten marschieren am geistigen Auge vorüber, Unheil verkündende Akkorde unterlegen das Inferno, Ostinati zerren an den Nerven und immer wieder schwenkt die innere Kamera über Trümmerfelder. Nicht umsonst durchzieht mit „Ruins I – Ruins IV“ ein roter Faden die Suite.

Selten, aber doch deutlich hörbar ist bisweilen so etwas wie zaghafter Optimismus, ab und zu meint man einen Hoffnungsfunken glimmen zu sehen und gegen Ende verkündet ein zuversichtli- ches, kräftiges Finale Wiederaufbau und Neubeginn. Wäre da nicht als Schlusspunkt wieder diese erbarmungslose Uhr, die bis zum Fade Out weiter tickt. Ob als Hinweis auf den Faktor Zeit, der bekanntlich alle Wunden heilt, auch die von damals, oder als akustische Warnung angesichts einer erneuten Zeitbombe in unseren Tagen und der sich daraus ergebenden Konsequenzen, bleibt offen. Ginge es nur um Gemetzel, Scharmützel und explodierende Granaten, müsste die Musik laut und heftig sein. Ist sie aber ganz und gar nicht, denn Trauer und Verlust sind leise, offenbaren Verletzlichkeit und Traumatisierung.

Dass „Ruins And Remains“ nicht für alle Zeiten in dieser Form Gültigkeit haben wird, liegt auf der Hand. Die Freiheit, sein Werk ständig zu verändern, fordert Brederode als Jazzmusiker denn auch deutlich ein, auch wenn man bei diesem sehr speziellen Werk erst mal gar nicht zwangsläufig an herkömmliche Formen des Genres denkt. Den Abend umwehen immer wieder Düsternis, Schwere und Dramatik, die das Publikum aber dermaßen faszinieren, dass man, ehe der Schlussapplaus losbricht, hören könnte, wie die berühmte Stecknadel zu Boden fällt. Fürwahr ein ganz besonderer Abend.


The Hot Stuff Jazzband | 25.05.2024
Donaukurier | Karl Leitner
 

Revivalbands haben Konjunktur. Wenn die Originale nicht mehr existieren oder nicht greifbar sind, bedient sich der Hörer gerne des Dupli­kats. Elvis, die Beatles, Pink Floyd, AC/DC, Rammstein – im Sog ge­schichtsträchtiger oder sagenumwobe­ner Künstler findet sich immer ein Nachah­mer, der um so beliebter ist, je näher er an das Origi­nal herankommt. Frisur, Look und Outfit müssen überein­stimmen und die Musik natürlich auch. Am bes­ten Ton für Ton.

Was für Rock und Pop gilt, gilt für den Jazz auch, aber nur eingeschränkt, denn obwohl es – wie im Falle der Hot Stuff Jazzband, die an diesem Abend im aus­verkauften Birdland Jazzclub in den Tie­fen der Vergangenheit schürft – auch hier um Nostalgie geht, die „gute alte Zeit“ und in diesem Fall um die ganz auf eine be­stimmte Ära des Jazz fixierte Vorliebe der Zuhö­rer, wird die Authentizität nicht zur bedingungslo­sen Kopie. Schon allein zwangsläufig deswegen nicht, weil all die Stücke des Oldtime Jazz, des Swing und des frü­hen Blues, all die Filmmelo­dien und die Broadway-Songs gar nicht detailgetreu nachspielbar sind. Schon allein der Soli wegen nicht. Covern ist ja auch etwas ganz an­deres als kopieren. Ersteres erfor­dert Kreativität und Inno­vation, letzteres lediglich die Fähig­keit, das nachzumachen, was andere vorge-macht haben.

Und so ist die Hot Stuff Jazzband mit Heinz Dauhrer (Trompete, Gesang), Butch Kellem (Posaune, Gesang), John Brunton (Gitarre, Gesang), Gary Todd (Kontra­bass) und Hermann Roth (Schlagzeug) auch bei ihrem diesmaligen Auftritt im Birdland einmal mehr eine Formation, die zwar auch auf den hohen Wiederer­kennungswert der ausgewählten Stücke setzt, um damit beim Publikum die ge­wünschten Reaktionen hervorzuru­fen, wohl wis­send, dass jene um so deut­licher ausfal­len, je mehr es – wie Max Goldt es so treffend ausdrückte – das ei­gene Ge­dächtnis be­klatschen kann. Das ist über­haupt nicht verwerflich und gar nicht ab­wertend ge­meint, sondern ein­fach nur eine Feststel­lung, die für viele Bereiche gilt. Man fühlt sich besonders sicher und wohl mit dem, was man be­reits kennt und hat deswegen besonders großen Spaß daran.

Im Falle der Hot Stuff Jazz Band be­deutet das ein Wiederhören mit den übli­chen Verdächtigen, mit Sidney Bechet, Louis Armstrong und Duke Ellington und Stücken wie „Honeysuckle Rose“, „C’est Si Bon“ und dem „Basin‘ Street Blues“. Aber dabei bleibt es nicht. Denn obwohl die Bandmitglieder kein einziges Stück ihres Repertoires selber kompo­niert ha­ben, selbige also sofort als Adap­tionen identifizierbar sind, kommt hier dennoch eine gehörige Portion Eigenin­itiative mit ins Spiel. Selbst entworfene Arrange­ments und absichtlich vorge­nommene Veränderungen, die die Hot Stuff-Versio­nen nicht nur von den ur­sprünglichen Vorlagen unterscheiden, sondern auch von den nachträglichen Va­rianten ähn­lich ausgerichteter Bands, he­ben das Quintett letztendlich doch über den Status einer reiner Revi­val-Band hinaus und verleihen ihm ein durchaus eigenes Gesicht. Und nachdem am Ende auch das Publikum per Zugabenforder­ung sei­ne Zufriedenheit signa­lisiert, kommt man unweiger­lich zu dem Schluss, dass die Hot Stuff Jazzband an­scheinend ein­mal mehr alles richtig ge­macht hat. Er­wartungen erfüllt, Konzept aufgegangen.


Max Greger jr. Trio | 24.05.2024
Neuburger Rundschau | Peter Abspacher
 

Bernd Reiter ist ein Schlagzeuger der obersten Kategorie und im Neuburger Birdland so etwas wie ein Stammgast. Der Vollblutjazzer aus Graz sagte am Ende eines wunderbaren Konzerts nur zwei kurze Sätze. Jazz is as good as the club, so lautete die eine Bemerkung. Der andere: So spielen nicht viele Klavier – und die meisten, die so gut gespielt haben, sind schon gestorben.

Damit hat Reiter den Zauber dieses Jazz-Events auf den Punkt gebracht. Die Atmosphäre im Birdland-Keller, die unmittelbare Nähe der Musiker und des Publikums, eine Nähe nicht nur im räumlichen Sinne, schafft oft genug schon alleine eine Qualität, die herausragend unter den Jazz-Clubs ist. Und was den Pianisten Max Greger mit seinen inzwischen auch schon 72 Jahren und seiner unvergleichlichen Erfahrung aus der Bigband seines berühmten Vaters angeht, so gilt: Einen besseren, einen kreativeren Jazzpianisten wird man schwerlich irgendwo finden.

Und zugleich keinen, der in einem Trio den dominanten Part innehat, aber nie dominant auftritt, nie auch nur im Ansatz den Eindruck erweckt, dass hier der berühmte Sohn eines noch berühmteren Vaters eingeschwebt ist, um sein Können zu zeigen. Max Greger nimmt sich nicht wichtiger als seine Compagnons am Bass (Markus Schlesag) und am Schlagzeug (Bernd Reiter). Die drei auf der Birdland-Bühne sind jeder für sich Jazzer durch und durch. Daraus formt sich ein Trio, wie es idealerweise sein soll. Da wird miteinander musiziert, nicht in einzelnen, tollen Solopassagen geschwelgt.

Im Grund spielt dieses Trio „nur“ Standards etwa von Duke Ellington, Lester Young oder Oskar Peterson und George Gershwin. Und sogar bekannte „Schlager“ von Friedrich Hollaender und Horst Jankowski sind zu hören. Die umwerfende Wirkung des Max Greger Trios liegt darin, wie aus diesen Melodien und Kompositionen durch raffinierte Verfremdung, durch grandiose Improvisationskunst und aus dem Augenblick geborenen musikalischen Witz etwas erfrischend Neues, Aufregendes wird.

Da bekommt man eben nicht zu hören, was man so ähnlich schon oft gehört hat. Auch das wäre ja schon etwas, denn man hat diese Standards ja immer wieder gerne und mit Genuss gehört. Das Max Greger Trio bietet ungleich mehr als die Erinnerung an schöne Musik, die einen Wohlfühlabend garantiert.

Nehmen wir „On the street“ aus dem Musical My Fair Lady, „Night train“ oder die Ballade „What`s new“. Greger, Schlesag und Reiter nehmen diese Standards, die eine starke Substanz haben, musikalisch ernst – und spielen zugleich in einer frechen, gekonnten und an vielen Stellen auch ein wenig mutig-verrückten Art mit dem Sujet. Es bereitet intellektuelle Freude, genau zuzuhören und den vielen kreativen Pfaden nachzuspüren, die das Trio um die Originale herum, von ihnen weg und plötzlich wieder zurück beschreitet.

Besonders ausgeprägt ist dieses Vergnügen beim Publikum und bei den Akteuren selbst, wenn es um Stücke geht, die nicht unbedingt mit Jazz verbunden sind: Die „Schwarzwaldfahrt“ des Horst Jankowski, mit ihren eher lieblichen, süffigen Melodien und das von Marlene Dietrich berühmt gemachte „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ Friedrich Hollaenders sind für sich genommen zurecht beliebt und berühmt. Im Klavierspiel von Max Greger (der hier zwangsläufig die entscheidende Rolle spielt) werden daraus tolle, verblüffende, durchaus artifizielle und doch direkt ins Gemüt gehende Preziosen.

Es stimmt eben: So mit den Tasten umzugehen verstehen nur sehr wenige.


Nina Plotzki International Quintett
„De Tout Mon Coeur“ | 18.05.2024

Neuburger Rundschau | Reinhard Köchl
 

Eigentlich kann man da nicht viel verkehrt machen: Die Amerikaner Darryl Hall am Kontrabass und Greg Hutchinson am Drumset, zwei der wichtigsten Protagonisten des Gegenwarts-Jazz an ihren Instrumenten, dazu noch der wunderbare Südfranzose Vincent Bourgeyx am Piano und vor allem der wieder einmal unglaubliche, famose Ungar Tony Lakatos am Tenor- und Sopransaxofon. Was für Namen! Schon allein dieses Quartett würde einen Birdland-Besuch an diesem Abend allemal rechtfertigen.

Aber vorne dran steht ja noch eine Sängerin. Und eigentlich ist sie der wahre Grund dafür, warum sich diese Superband hinter ihr auf der Bühne des Neuburger Hofapothekenkeller zusammengefunden hat. Nina Plotzki würde nie in den Verdacht geraten, nur ein properer weiblicher Farbtupfer sein zu wollen, der sich eine prominente Begleitcrew zusammengekauft hat. Die 46-Jährige ist vielmehr eine überraschend hinreißende, schlicht grandiose, mit allen heiligen Wassern des Jazz gesegnete Vokalistin, die mit ihren renommierten Kollegen absolut auf Augenhöhe agiert und in dem bis auf den allerletzten Winkel besetzten historischen Gewölbe wie so häufig in den vergangenen Monaten wieder Begeisterungsstürme auslöst.

Wie ist so etwas möglich? Ein Gesangstalent, noch dazu aus Deutschland, das seit Jahrzehnten unter dem Radar läuft, hochgeschätzt von anderen Musikerinnen und Musikern, aber beim Publikum nahezu unbekannt? Das soll, nein, es muss sich jetzt ändern! Die Art, wie Plotzki spielerisch leicht agiert, die Selbstverständlichkeit, mit der sie sich inmitten ihres Ensembles bewegt, ihr dunkle Timbre wie ein Mobile zwischen Piano und Saxofon hin- und herpendeln lässt, begeisterte vor gut zwei Jahrzehnten schon den großen Wynton Marsalis bei einem Deutschland-Besuch. Es sind die innovativen Interpretationen von Standards wie „The Nearness Of You“, von beschwingten brasilianischen Sambas wie „Falsa Baiana“ von João Gilberto (mit einer für mitteleuropäischen Zungen bemerkenswert sicheren Betonung dieses schnellen portugiesischen Textes) oder ihre spannenden Eigenkompositionen, die Titel wie das walzernde „White Rabbit“ beinhalten, die einen spontan gefangen nehmen. Mal wirkt die Wahl-Münchnerin unterkühlt, mal emotionsgeladen, aber immer spannend und einem stringenten Konzept folgend, das für jeden im Birdland etwas parat hält. Etwa die Zugabe mit dem lebhaften „Blues For Berry“ – Ninas Hund, bei dem Piano und Schlagzeug andeuten, dass es sich um einen ausgesprochen lebhaften Vierbeiner handeln muss. Oder Plotzkis ganz persönliche „Songs zum Weinen“, mit denen sie eine schwere persönliche Lebenskrise überstand – diesmal allerdings völlig ohne Tränen. Aber Burt Bacharachs „A House Is Not A Home“ ist so ein Stück, das jedes noch so tiefsitzende innere Eis zum Schmelzen bringt.

Wie eine Begleitband sich vorbehaltlos in den Dienst ihrer Vokalistin stellen, aber sich trotzdem noch alle Freiheiten gönnen kann, um die instrumentalen Qualitäten ihrer Mitglieder breitesten Raum zu geben, das beweisen Darryl Hall, Greg Hutchinson, Vincent Bourgeyx und Tony Lakatos mit vielen ausschweifenden, extrem farbenreichen, auf den Punkt kommenden Soli. Ein herausragender Konzertabend, und hoffentlich nicht der letzte Besuch von Nina Plotzki in Neuburg. Beim nächsten Mal braucht sie dann auch nicht mehr zur Pause ihr Outfit wechseln und von einem eleganten Abendkleid ins andere schlüpfen. Denn diese Sängerin muss längst nicht mehr durch Äußerlichkeiten auf sich aufmerksam machen. Es reicht allein ihre Stimme!


Nina Plotzki International Quintett
„De Tout Mon Coeur“ | 18.05.2024

Donaukurier | Karl Leitner
 

Wer sich mit Jazz-Standards beschäftigt, hat es mit Songs zu tun, die zum Allgemeingut des Genres gehören und als Ausgangspunkt für eigene Interpretationen dienen. Das heißt, was auf den Notenblättern steht, ist die Grundlage, die dann jeder Musiker oder jede Band nach eigener Sichtweise auslegen kann. Das International Quintet um die Sängerin Nina Plotzki ist ein Beispiel dafür, zu welch außergewöhnlichen Ergebnissen dieses im Jazz häufig verwendete Verfahren führen kann.

Kaum einer wird „On A Clear Day“, „Fly Me To The Moon“ oder „A House Is Not A Home“ exakt nach Vorlage spielen, aber was Plotzki und ihre Band daraus machen, dürfte ziemlich einzigartig sein. Ohne große Gesten, ohne Diven-Gehabe, dafür aber mit großer emotionaler Tiefe und Glaubwürdigkeit versenkt sich die Sängerin in die Vorlagen, spürt deren Essenz nach, fördert den Kern zutage. Die Balladen, bei denen sich bekanntlich die Spreu vom Weizen trennt, dürfen atmen, erzeugen ein ums andere Mal Gänsehaut, die flotten Nummern innerliches Wohlbehagen. Ihr warmer Alt steht im Mittelpunkt, das ist von Beginn an klar, aber Plotzki ist klug genug, den exzellenten Musikern, die sie da um sich versammelt hat, auch Auslauf zu gewähren.

Den nutzen sie weidlich. Stiege man als Zuhörer erst im Mittelteil ein, hätte man wohl keine Chance, den jeweiligen Song auch nur ansatzweise wiederzuerkennen, denn Tony Lakatos (Tenor- und Sopransaxofon), Vincent Bourgeyx (Klavier), Darry Hall (Kontrabass) und Greg Hutchinson (Schlagzeug) lieben es, sich auszutoben und tun dies auch weidlich. Selbst Plotzki ist mitunter überrascht, wohin die Reise geht. Dabei ist eine gehörige Portion Witz mit im Spiel, wenn vor allem Hutchinson, langjähriger Dummer für Betty Carter, seine Kollegen auf überraschend kurvige Pfade lockt, worauf die sich gerne einlassen. Lakatos mit seinem kraftvollen Schleifen, in die er rasende Läufe und extravagante Querschläger einbaut, Bourgeux mit seinem von Oscar Peterson, Monty Alexander und Chick Corea gleichermaßen geprägten Hintergrund und Allrounder Hall mit seinem warmen, markanten und prägnanten Ton.

Sie bearbeiten zusammen mit Plotzki, die Shouting, Stimmakrobatik und Scatting nur sehr behutsam einsetzt und sich lieber dem Chanson annähert als schweißtreibenden Krachern, die Klassiker auf eine Art, die den vorgegebenen Rohdiamanten von Burt Bacharach, Joao Gilberto, Bill Evans oder Nancy Wilson ihren ganz individuellen Feinschliff verleiht. Dass Plotzki selber darüber hinaus auch eine absolut ernst zu nehmende Komponistin ist, beweist sie zusätzlich mit „Little White Rabbit“ und „De Tout Mon Coeur“, dem Titelsong ihres aktuellen Albums, das auch für den Preis der deutschen Schallplattenkritik nominiert wurde. Wüsste man es nicht besser, würden auch diese Nummern problemlos als Bestandteil des Standard-Pools durchgehen.

„In diesem Club kann man keine halben Sachen machen“. Die Fotogalerie mit all den Säulenheiligen des Jazz an den Wän­den des Birdland-Gewölbes veranlasst Plotzki gleich zu Beginn des ersten Sets zu diesem Statement. Und halbe Sachen gibt’s auch nicht an diesem Abend, son­dern vielmehr ein Konzert der Spitzen­klasse mit einer Sängerin und einer Band in Top-Form und einem begeisterten Pu­blikum.


Joe Haider Trio & Amigern String Quartet | 17.05.2024
Neuburger Rundschau | Peter Abspacher
 

Auftritt Joe Haider: Ein großer Herr im schwarzen Anzug, mit Stock und schwarzem Hut schreitet durch den Birdland Jazzkeller und wuchtet sich auf die Bühne. Er legt den Stock zur Seite, setzt sich an den Flügel. Und man hat das Gefühl, dass Joe Haider in diesem Moment um 50 Jahre jünger wird. Dann wäre diese Jazz-Legende 38, also ungefähr im Alter seiner sechs jungen Mitstreiter und Mitstreiterinnen, die etwas nach ihm die Bühne betreten und allesamt seine Enkel oder Enkelinnen sein könnten.

Was der Altmeister Haider, sein Bassist Lorenz Beyerler, der Schlagzeuger Claudio Strüby, Vincent Millioud und Sebastian Lötscher (Violine), Francesca Verga (Viola) und Valentina Velkova (Cello) an diesem Abend zu bieten haben, kann man nur grandios nennen. Die sieben Akteure, eigentlich zwei nicht unbedingt für einander geschaffene Besetzungen (Jazz-Trio und Streichquartett), musizieren in einer umwerfenden Sensibilität, blitzgescheit aufeinander bezogen.

Die Klangfarben aller Instrumente vereinen sich zu einem leichten, frischen, oft betörenden Sound. In den besten Momenten, und davon gibt es viele, spielt da ein Septett der edlen Art. Auch wenn es in der an Varianten reichen Jazzmusik ein Septett dieser Instrumentierung vielleicht gar nicht gibt. Dann musste man es eben erfinden.

Die Seele dieses Klangs ist Joe Haider. Was er da am Flügel veranstaltet, mit einem unnachahmlich gefühlvollen Anschlag, ohne Kraftaufwand, aber mit einer inneren Stärke und in keiner Passage irgendwie dominant – das ist einfach zum Genießen. Für die Zuhörer und vor allem auch für Haider selbst. Der 88-Jährige Wahl-Schweizer scheint nach dem Motto zu musizieren: Ich danke dem Jazz-Gott, dass ich in meinem Alter noch so Stücke spielen kann und dass ich das mit so wunderbaren jungen Musikern tun darf. Wie lange es noch so geht, weiß ich nicht. Also kosten jetzt diese zwei Stunden Musik heiter und fröhlich aus.

Und niemand lässt den alten Herrn da irgendwie hängen. Der Bassist mit dem feinen Fingerspitzengefühl spielt jeden Ton mit Herz und Verstand, aus der Schlagzeug-Ecke kommen elegante, oft fast melodiöse Klänge, die Streicher müssen niemandem beweisen, dass sie auch Teufelsgeiger, wilde Bratschistin oder Cello-Virtuosin draufhaben. Alle sieben verstehen sich als Musiker, auch als Musikanten im besten Sinn des Wortes, die nicht dazu da sind, selbst groß rauszukommen. Sondern um gemeinsam möglichst gute Musik zu erschaffen.

Das gelingt in eher lyrisch geprägten Nummern („In grandfathers garden“, „Josepha in Palermo“) ebenso wie in rasanten Ritten („Keep it hot“), in Balladen oder im Blues. Immer wieder blitzen improvisatorischen Einfälle am Flügel, auf der Violine oder am Kontrabass auf, jeder Titel entwickelt so seinen vollen Charme. Herrlich, wie die Streichinstrumente Mini-Cluster aus schrägen Harmonien ineinanderfließen lassen – ein toller Kontrast zu den Eskapaden von Flügel, Schlagzeug und Bass.

Und hinreißend, wie gleich darauf träumerische, feine Kantilenen den Raum erfüllen. Die Ballade „Rosalies dream“, ein berührendes Stück über Glück, Unglück und die am Ende doch ganz erträgliche Leichtigkeit des Seins macht aus dem Kontrabass ein zartes Melodieinstrument und aus dem Schlagzeug einen Erzähler zerbrechlicher Träume. Und auch die anderen lassen es an feinen Überraschungen nicht fehlen.

Es könnte sein, dass die laufende Tournee, die aktuelle CD, Joe Haiders letzte wird. Mal sehen, vielleicht ist der Jazz-Gott großzügig und genehmigt noch ein paar Ehrenrunden.


Joe Haider Trio & Amigern String Quartet | 17.05.2024
Donaukurier | Karl Leitner
 

Man benötigt kein Mathematikstudium, um zu erkennen, dass diese Gleichung falsch ist. In diesem Falle freilich stimmt sie erstaunlicherweise doch, denn das gemeinsame Konzert des Joe Haider Trios und des Amigern String Quartets ergibt zwar rein rechnerisch eine Ansammlung von sieben Musikern und Musikerinnen auf der Bühne des Birdland Jazzclubs, aber eben auch eine aus ursprünglich zwei Ensembles gebildete, absolute Einheit, die Musik spielt, die sich anhört und anfühlt, als sei sie dem Kollektiv wie auf den Leib geschrieben. Was sie natürlich auch ist.

Initiator des Projekts namens „Rosalie’s Dream“, zu dem eine Tournee, eine CD gleichen Namens und an diesem Abend ein Programm mit elf Stücken gehört, ist der deutsch-schweizerische Pianist Joe Haider. Mit mittlerweile 88 Jahren ist er umtriebig und kreativ wie eh und je, komponiert, arrangiert, zieht die Fäden mal hinter großen Ensembles, mal für sein eigenes Trio mit ihm selbst am Flügel, mit Lorenz Beyerler am Kontrabass und Claudio Strüby am Schlagzeug, und nun also für ein Septett aus Jazzband und Streichquartett. Vincent Millioud (1. Geige), Sebastian Lötscher (2. Geige), Francesca Verga (Bratsche) und Valentina Velkova (Violoncello) verzahnen sich mit Haiders Swing- und Mainstream-Trio, was zum einen an dessen maßgeschneiderten Arrangements liegt, aber auch daran, dass es hier absolut keine genrebedingten Berührungsängste gibt, weswegen man sich erst annähern oder auf einem eigentlich fremden Terrain beweisen müsste.

Ausgangspunkt des Amigern String Quartet um Vincent Millioud, den Haider nicht ganz zu Unrecht als „Teufelsgeiger“ bezeichnet, ist die Klassik, aber Jazz und Folk sind dem Ensemble durchaus vertraut, was die Sache natürlich erleichtert. Vor allem Millioud selber legt sich solistisch mächtig ins Zeug und legt auf die mit viel Elan und ungebremster Spielfreude intonierten Stücke noch eine Schippe obendrauf. Das Konzept steckt voller Überraschungen, verbindet Energie und Drive mit ausgefuchsten Arrangements und höchster Spielkultur. Alle ticken und denken gleich, weswegen es auch so gut funktioniert, sei es bei den Haider’schen Eigenkompositionen wie „My Grandfather’s Garden“, „Marcelles Granddaughter“, „Soultime“ und „Kollektiv 7“, dem Titel, quasi Programm ist, wie auch bei den Adaptionen. Zweimal Duke Ellington mit „Caravan“ und „The Single Petal Of A Rose“ und „Parker’s Mood“, komplett neu arrangiert, fügen sich perfekt ein in diese absolut schlüssigen Rahmenbedingungen, zu denen selbstverständlich auch die ausgiebigen, launigen Ansagen gehören über Stationen seines Künstler- und Privatlebens. Ohne die kleinen Geschichten und Anekdoten zwischen den einzelnen Stücken ist Haider nicht denkbar.

„Das Wichtigste ist, dass die Musik Spaß macht.“ sagt er. Genau das macht sie. Seinem Publikum, seinen Kolleginnen und Kollegen auf der Bühne und nicht zuletzt ihm selbst, wie man deutlich merkt. Seit seinen Kindertagen, als er im von GI’s besetzten Stuttgart erstmals mit dem Jazz in Berührung kam, bis heute, wenn er mit Kollegen spielt, die allesamt seine Enkel sein könnten. Die aktuelle Tour werde wahrscheinlich seine letzte sein, fügt er lakonisch hinzu. Nach diesem überragenden Konzert glaubt ihm das natürlich kein Mensch.