Larry Goldings – Peter Bernstein – Bill Stewart | 26.04.2024

Donaukurier | Karl Leitner
 

Eine Hammond B3 steht auf der Bühne. Die Orgel wiegt ungefähr vier Zentner und der dazugehörige Leslie noch einmal in etwa drei. Hut ab vor de­nen, die das Instrument die steile Treppe ins Birdland-Gewölbe hinunter und nach dem Konzert wieder hinaufschleppen müssen.

Eine Original B3 hört man selten, ihr Sound ist unvergleichlich, ihr Ruf legen­där, und wenn jemand wie bei diesem Konzert Larry Goldings auch noch per­fekt mit ihren vielfältigen Klangmöglich­keiten umzugehen weiß, kann ein Abend in ihrer Gesellschaft durchaus zu einem Er­eignis werden. So wie dieser, an dem ei­nes der dienstältesten Organ-Trios des aktuellen Jazz in Neuburg zu Gast ist, mit Goldings als Primus Inter Pares, Pe­ter Bernstein an der Gitarre und Bill Ste­wart am Schlagzeug. Im Publikum gibt es zu Beginn zwar unterschiedliche Mei­nungen über die Lautstärke der Orgelbä­sse – je nach Sitzplatz im Gewölbe und individueller Hörgewohnheiten ist das fast nicht zu vermeiden und durchaus nachvollziehbar – aber einen gewissen „Wumms“ muss das hölzernde Mons­trum schon haben, um den Namen Ham­mond B3 tragen zu dürfen.

Wie auch immer, dieser Diskussions­punkt ist schnell zur allseitigen Zufrie­denheit geklärt und die großartige Musik des Trios rückt in den Vordergrund. Jeder für sich in diesem Trio ist eine Koryphäe auf seinem Gebiet, was man bereits vor­her wusste und was sich an diesem Abend auch bestätigt. Die feinen, fast singenden Single-Note-Linien Bern­steins, die Polyrhythmik Stewarts, der bei seinem Solo in Wayne Shorter’s „Uni­ted“ tatsächlich das Kunststück fer­tig bringt, vier verschiedene Rhythmen gleichzeitig laufen zu lassen, und Gol­dings, der seine enorme stilistische Viel­falt, die ihn bereits in die Funk Band Maceo Parker’s führte wie auch in den Be­reich des abstrakten Jazz und damit zu Jack DeJohnette, auch in diesem Trio of­fenlegt.

Es geht um Standards wie Gerhswin’s „Embraceable You“ oder Burt Bacha­rach’s „This Guy’s In Love With You“, das in Goldings Version eine wunder­schöne Würdigung erfährt, aber vor­nehmlich doch um eigene Stücke, wobei Stewart’s „Don’t Ever Call Me Again“ eine Besonderheit ist. Zum einen stellt es neben Bernstein’s „Jive Coffee“ die wohl mitreißendste Komposition des zweiten Sets dar, zum anderen hat Stewart genau sie – damals natürlich in anderer Form – intoniert, als er mit der John Scofield Group im November 2018 im Neuburger Kongregationssaal zu hören war. Damals war die Begeisterung groß, diesmal auch.

Drei Jazzmusiker, jeder mit enormer Reputation, vereint in einem qualitativ über jeden Zweifel erhabenen Trio. Und doch ist keiner der Star des Abends. Die­ser Status gebührt der Original-Ham­mond B3, ihrem auch im Vergleich zu Konkurrenzmodellen oder Nachbauten unverwechselbaren Klang, mit dem man diese typischen Flächensounds kreieren – worin Goldings ja ein Meister ist – mit der man die Intensität innerhalb eines Stück so fulminant steigern und dabei so viel „Soul“ erzeugen kann wie schwer­lich mit einem anderen Instrument. Sie sind selten geworden, die B3’s, aber ein paar Exemplare sind noch – mit der nöti­gen Muskelkraft – transportfähig und komplett funktionstüchtig. Gut, dass ab und zu eine im Birdland zu bestaunen und zu hören ist.