Mareike Wiening US Quintet | 27.04.2024

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Pausengespräch: »Frauen spielen ganz anders Schlagzeug.« – »??« – »Na, ja, sie plustern sich nicht so auf wie manche Männer.«

Klar: Da steckt eine Genderfalle drin, Achtung Klischee, aber in der Tat: Mareike Wiening spielt ihr Drumset wirklich anders, ganz gleich, ob typisch weiblich oder weil sie halt so ist, wie sie ist: Überlegt, klar, sorgfältig, durchdacht und dabei zugleich sehr flexibel. Ihre Musik, in weiten Teilen sorgfältig durchkomponiert, zugleich mit jeder Menge Raum zur solistischen Entfaltung, spricht mehr den Kopf als die Beine an, die Rhythmen dienen weniger der Unterhaltung und dem Mitwippen, dazu sind sie bisweilen einfach zu vertrackt, als dem Erforschen rhythmischer Strukturen und ihrer Funktion. Immer in Verbindung zu harmonischen und melodischen Elementen, die sich, bei aller jeweiliger Eigenständigkeit, bisweilen unmittelbar aus den Grooves zu entbergen scheinen.

Mareike Wiening leitet ihr amerikanisches Herzensquintett nun bereits seit zehn Jahren, die Laufwege sind so wunderbar aufeinander abgestimmt, dass selbst komplexeste Momente so locker von der Hand gehen wie die Schlagzeugerin die vielfältigen Grooves scheinbar mühelos aus dem Handgelenk schüttelt. Dabei ist jeder Beat, jeder Klang, jede Nuance wohlüberlegt und sehr bewusst in Raum und Zeit gesetzt.

Rich Perry, Urgestein der New Yorker Jazzszene, bereichert am Tenorsaxophon mit sonorem Sound, lyrisch-süffiger Linienführung und, mal zart, mal hart, leidenschaftlichem Engagement. Ideale Ergänzung dazu der zweite Mann an der Frontline: Der überaus agile Alex Goodmann an der Gitarre in temporeicher, dabei stets kontrollierter Offensive. Quirlig, flink und gedankenschnell dazu Lorenz Kellhuber am Bösendorfer und mit gewohnt kreativer Intensität Phil Donkin am Bass.

Das Quintett lotet die komplexen Kompositionen bis in die letzten Winkel und Wirbel aus ohne sich dabei freilich in einer l‘art pour l‘art zu verlieren, denn bei aller Überlegtheit: Diese Musik birgt jede Menge Anregung, Überraschung, Bereicherung. Ob das nun typisch weiblich ist? Auf jeden Fall Mareike Wiening!