Andreas Feith Quartett | 01.03.2024

Neuburger Rundschau | Reinhard Köchl
 

Einmal mehr geht es im Birdland-Jazzclub konventionell zu. Dort agiert ein klassisches Quartett, genauer gesagt: Piano, Saxofon, Bass, Schlagzeug. Kein innovativer Instrumentenmix, wie er heutzutage leider immer wieder aufpoppt und irgendwie zwanghaft die Quadratur des Kreises, oder besser: die Brücke zum verkaufsträchtigen Pop, sucht. Die vier Herren stehen, obwohl noch jüngeren Datums, mit beiden Beinen fest in der Tradition, folgen auch ein bisschen dem, was sie im Hochschulstudium mit auf den Weg bekommen haben. Aber was heißt schon „Tradition“? Es ist schlicht originärer Jazz, mit all den Zutaten, die ihm schon vor 70 Jahren jenen unverwechselbaren und einzigartigen Zauber verliehen haben, der Generationen überdauert.

Der nach wie vor markante Unterschied zu manchen Mitbewerbern besteht in der brillanten Qualität, die Andreas Feith, Lutz Häfner, Martin Gjakonovski und Silvio Morger an den Tag legen, einem Faktor, der im schnelllebigen 21. Jahrhundert gerne und manchmal auch verlässig vernachlässigt wird. Die auskomponierten, fein tariert wogenden Klavierfiguren von Bandleader Feith und das chromatisch abenteuerliche Tenorsaxofon vom Häfner verleihen der Band einen markant eigenen Charakter, der sie unter den Sandkörnern am deutschen Jazzstrand hervorstechen lässt. Und jeder Song erlaubt Rückschlüsse auf Quellen und Ziele. Da gibt es musikalische Verbeugungen vor dem wunderbaren Pianisten Fred Hersch („Fredʼs Tune“) mit seinem störrischen Swing, das warme, gleißende „Gospel“ (nomen est omen) sowie den leuchtenden Standard „Theme For Ernie“ von Fred Lacy, bei dem Lutz Häfner nicht nur wegen seines würdevoll restaurierten Johnny-Hodges-Tones einmal mehr die Frage aufwirft, warum er nach mehreren Jahrzehnten immer noch als Geheimtipp firmiert. Aus Häfners Feder stammt auch das raffinierte, wuchtig-hippelige „Three & Four“, ein ideales, maßgeschneidertes Opus für sein quecksilbriges Horn, das reihenweise klingende Leuchtpartikel ausstößt.

Die Stücke bleiben im Gedächtnis, weil sie zum einen die Qualität von modernen Standards besitzen und zum anderen exzellent interpretiert werden. Wer ein Rhythmustandem wie den grandiosen Bassisten Martin Gjakonovski mit seinem runden, omnipräsenten Ton und den facettenreichen, emphatischen Drummer Silvio Morger hinter sich weiß, bei dem kann sich in diesem geschmackvollen Mix aus schnellem und langsamem Walzer, Groove und vor allem Blues einfach fallen lassen.

Irgendwie bleibt das Ohr vor allem an zwei Themen hängen, bei denen der aus dem Saarland stammende 37-jährige Boss der Band unaufgeregt die Fäden zieht: Das noch namenlose, immer tiefer in den Sümpfen des heißen Südens grabende Stück unmittelbar nach der Pause („Wir suchen noch einen Titel. Irgendwas mit Blues“) und das düstere „Surviving Flowers“ kurz vor Schluss. Der virtuos und intelligent konstruierende Pianist baut mithilfe seiner Gefährten ein apokalyptisches Szenario voller verstörender Bilder auf, bei dem die nächste Gefahr schon hinter der Ecke zu lauern scheint. Das Klavier ist das kleine Blümlein, das aus dem Asphalt hervorlugt. Es hat überlebt. Genauso wie das akustische Jazz-Quartett. Wenn man es mit der Rezeptur der Combo von Andreas Feith serviert, dann könnte es sogar die Jazz-Formation der Zukunft sein!