Alfredo Rodriguez Trio | 24.02.2024

Donaukurier | Karl Leitner
 

Samba, Timba und Bachata, Guajira und Latin-Pop. Karibische Musik geht hierzulande eigentlich immer. Das Flair und der Charme Kubas und seiner Nachbarstaaten, die Rhythmen, zu denen man sich so gut bewegen kann, die mit ihnen einher gehende Lebensfreude, die damit verbundene, anscheinend nie enden wollende Party – das wirkt belebend und ansteckend. Noch dazu im deutschen Winter. Nicht umsonst ist das Birdland bis auf den letzten erlaubten Stehplatz gefüllt, nicht umsonst gibt es am Ende Standing Ovations und fast nur glückliche Gesichter bei denen, die nach zwei Stunden Karibik-Feeling dem Ausgang zuströmen.

Alfredo Rodriguez heißt der Künstler, der am Bösendorfer-Flügel das Birdland-Publikum so in Entzücken versetzt hat. Er stammt wie seine musikalischen Begleiter ursprünglich von dem Inselstaat, lebt aber mittlerweile in Miami, Florida, was notgedrungen dazu führt, dass seine Musik sich allmählich zu einer Mischform entwickelt aus Tradition und Pop, aus der rhythmischen Vielfalt seiner Heimat und dem Beat des Westens. Kurz nach seiner Emigration nahm sich der berühmte Quincy Jones seiner an, weswegen Rodriguez auch Michael Jackson’s „Thriller“ im Programm hat. Schließlich hat sein Mentor das Album gleichen Namens 1982 ja auch produziert.

Rodriguez ist ein sensationeller Pianist, ein Virtuose. Wenn er spielt, hat das etwas mit Zauberei zu tun. Seine Läufe sind dermaßen quirlig, dermaßen rasant, dass man sie mit Augen und Ohren kaum mitverfolgen kann. Und wenn’s mal ruhiger wird und in Richtung Midtempo geht, dermaßen emotional, dass man geradezu dahinschmelzen möchte. Michael Olivera am Schlagzeug ist ebenso Ästhet wie sein Chef. Jeder Schlag ist genau überlegt, sein Spiel ist wohl dosiert, der perkussive Aspekt dominiert über die sonst im Jazz üblichen Spielformen. Die Rhythmen, die Grooves, die Beats stehen bei all der scheinbaren Mühelosigkeit felsenfest und darüber hinweg plätschern und strömen diese unwiderstehlichen, sich unaufhörlich drehenden und überschlagenden Pianofiguren. Hinter Stücken wie „Coral Way“ oder „Senno De Luz“, das Rodriguez ganz bewusst allen Emigranten widmet, ist deutlich eine wunderbare Leichtigkeit spürbar, die die Sache so unwiderstehlich macht. Nur Yarel Hernandez und sein mit Wucht und klanglicher Schwere gespielter 5-saitiger E-Bass fallen aus dem Rahmen, und verhindert an manchen Stellen, dass die Musik auch hier wirklich abheben kann.

Mit ihrer Setlist versucht die Band den Spagat zwischen höchsten künstlerischen Ansprüchen, für die vor allem natürlich deren Leader steht, und dem, was man „Stimmung“ nennt. Die Grenzen liegen oft ganz dicht beieinander. Bei „Bésame Mucho“ etwa, dem Klassiker, sind natürlich alle im Saal allein schon wegen dessen Wiedererkennungswert komplett aus dem Häuschen und bleiben auch euphorisch bei dem Weltklasse-Solo, mit dem Rodriguez ihn veredelt. Freilich leistet der sich auch einige Ausrutscher hinein in den puren Kitsch, etwa, als zum Ende hin bei „Guantanamera“ – ja, selbst davor schreckt er nicht zurück – alle mitklatschen und mitsingen sollen und dies auch – längst hat das Karibik-Virus seine Wirkung entfaltet – bereitwillig tun. Sei’s drum, allein wegen dieses tollen Pianisten hat sich der Weg ins Birdland gelohnt. Und dass das Konzert als die 252. Folge der Reihe „Art Of Piano“ ausgewiesen war, geschah völlig zurecht.