Kirk Lightsey Quartet feat. Alex Hitchcock | 17.02.2024

Donaukurier | Karl Leitner
 

Kirk Lightsey ist eine musikalische Legende in zweifacher Hinsicht. Zwei Tage vor seinem Konzert im Birdland in Neuburg, dem einzigen in Deutschland im Rahmen seiner Tournee, ist er 87 geworden. Zum einen war er als Jazzmusiker aus Detroit, Mi­chigan, Part­ner von Dexter Gordon, Chet Baker und und Betty Carter, zum ande­ren Pianist in der Hausband des dort an­sässigen Mo­town-Labels, weswegen er auf unzähli­gen Hits von Marvin Gaye bis zu den Temp­tations zu hören ist.

Lightsey, den man durchaus in einem Atemug mit Tommy Flanagan und Earl Hin­es nennen darf, verbinde, wie er sel­ber sagt, das Bewusstsein eines Bud Po­well, das Styling eines Art Tatum und das Fee­ling des Bebop. Auf dieser Basis kompo­niert er eigenes Material wie „Brother Rudolph“ oder „Heaven Dance“ oder be­arbeitet Stücke von Kol­legen wie Tony Williams („Pee Wee“), Dave Brubeck (In Your Own Sweet Way“) oder McCoy Ty­ner („Blues On The Corner“). Aus diesen vielfältigen Aktivitäten bietet er im Bird­land, sicht­lich gut gelaunt, einen höchst abwechs­lungsreichen und spritzigen Querschnitt. Zusammen mit Steve Watts am Kontra­bass, Sangoma Everett am Schlagzeug und als Gast dem Londoner Tenorsaxo­fonisten Alex Hitchcock kommt er direkt aus Lausanne mal eben schnell nach Neuburg, bevor es tags dar­auf weitergeht nach Paris. Über zwei Stunden hält er die Fäden in der Hand, dirigiert seine Mann­schaft, hält vor allem mit Everett engen Blickkontakt. In der Tat, der Mann ist nach wie vor topfit, sein Anschlag ist im­mer noch kräftig und prägnant. Lightsey ist kein Vielspieler, der bei jeder Gele­genheit zu rasanten Soli ansetzen müsste, obwohl seine blen­dende Technik durch­aus immer wieder aufblitzt, nein, er ist vor allem der Im­pulsgeber, der Bandlea­der, der seinen Kollegen auf elegante, souveräne, aber niemals vordergrün­dig-spektakuläre Weise die Richtung vorgibt. Seine Ver­zierungen sind immer originell, seine Akzente bewusst gesetzt. Hier spielt kein Pianist, der sich selbst noch irgendetwas beweisen muss, sondern ein Musiker, dessen Stilistik längst einzig ist inner­halb der Branche. Nicht er orientiert sich an irgendwelchen Kollegen, sondern sie sich an ihm.

Wenn es bei seinen Eigenkompositio­nen in Richtung Soul-Jazz geht, fühlt er sich ebenso wohl wie bei den Adaptio­nen. Seine Version von Ellington’s „Take The A-Train“ ist ebenso bemerkenswert wie „Goodbye Mr. Evens“, das Phil Woods 1981 zum Andenken an den gro­ßen Pianisten Bill Evans geschrieben hat. Während Steve Watts seinem Bandleader auf Schritt und Tritt folgt, ist Everett der Mann der ständigen Rhythmuswechsel, was vor allem bei John Coltrane’s „Spring Is Here“ deutlich wird und der Band gleich mit dem ersten Stück höchs­te Konzentration abverlangt. Hitchcock hat sich nach nur wenigen Auftritten mit Lightsey’s Stammtrio bereits bestens ak­klimatisiert, steuert immer wieder straighte Soli mit langen Linien bei und wird nicht umsonst als eines der großen Talente im britischen Jazz gehandelt.

Am Ende ist die Begeisterung im Publi­kum groß. Diese 120 Minuten waren eine echte Demonstration und eine Be­stätigung der These, dass Jazz jung hält. Und weil Lightsey im Verlauf seiner Tournee „Happy birthday to you!“ und „Joyeux anniversaire!“ bereits zur Genü­ge gehört hat, singt das Publikum ge­schlossen eben auf deutsch „Zum Ge­burtstag viel Glück!“, was den Jubilar sichtlich sehr freut.