Rückert – Baumgartner – Schieferdecker | 19.01.2024

| Dr. Tobias Böcker
 

Es gibt Momente, die bleiben im Gedächtnis. Zum Beispiel der Augenblick, an dem Thomas Rückert und seine beiden Triopartner Markus Schieferdecker und Peter Baumgärtner irgendwann im zweiten Set dieses denkwürdigen Konzerts Leonard Bernsteins „Somewhere“ anstimmten. Da kam die ganze Essenz eines Konzerts, ja einer Konzertreihe auf den Punkt. In der Tat: Das war „Art of Piano“, deren 249. Auflage der Birdland Jazzclub an diesem Abend erlebte.

Die Idee: Ein Dreieck aus gleichberechtigten Stimmen, die sich in wechselseitiger Initiative und Präsenz die Hände reichen mit dem Ziel, mehr zu sein als die Summe der Einzelteile. Und wenn es gibt, was Kunstkritiker das nennen, was man nicht sagen kann, hier war es so nahe wie nur möglich, jenes geheimnisvolle Etwas, das aus Noten, Strichen, Farben, Klängen ein Kunstwerk entstehen lässt. Einen eigenen Mix aus Standards hatten die Drei ins Birdland mitgebracht, darunter Jazzklassiker wie Billy Strayhorns „Isfahan“ oder Mal Waldrons „Soul Eyes“, durchaus auf den Spuren Bill Evans‘ und Keith Jarretts – letzteren ließ sein „So Tender“ zu Wort kommen – daneben u.a. mit gleichem Gewicht Lennon/McCartneys „Here, There And Everywhere“, fein, filigran und frisch zugleich, nicht zuletzt Lee Konitz‘ „Invitation“ zu dem seinerzeit der Meister selbst Thomas Rückert den Ritterschlag verpasste: „Lee war zufrieden.“

Thomas Rückert, der Tastenstreichler, der die „nährende, wertschätzende Atmosphäre“ im Birdland hoch zu schätzen weiß, zeigte sich einmal mehr als flüssig, süffig, eloquent und vital agierender Pianist mit hohem Sinn für Melodie und Schwung, lyrisches Gefühl und innige Empathie. Markus Schieferdeckers Bass erklang dazu in sanglicher Tonalität, übernahm immer wieder die führende Stimme, spielte die Songs weit aus und stärkte ihnen den Rücken. Peter Baumgärtner schließlich erzeugte am Schlagzeug in den besten Momenten mit minimalen Mitteln und feingeistiger Besenarbeit maximale Wirkung, auch mit Hilfe der nicht gespielten Beats.

Was lange im Gedächtnis bleiben wird indes, ist jenes „Somewhere“, so einfühlsam und sehnsuchtsvoll entsagend, dabei so ohne jeden Kitsch, ohne jedes Pathos, dass auch im reifen Erwachsenenalter die Tränen der Jugend aufsteigen mochten, die flossen, als damals Natalie Wood das Herz eines 15jährigen vor dem sonntäglichen Fernsehgerät zum Schmelzen brachte.