Basement Research | 03.11.2023

Donaukurier | Karl Leitner
 

„Übermorgen ist Schluss. Dann ist diese Band Geschich­te,“ sagt deren Chef Gebhard Ullmann zu Beginn des Konzerts seines Quintetts Basement Research. Nach 30 Jah­ren verabschiedet sich der Tenorsaxofo­nist und Bassklarinettist mit einer letzten kleinen Tour. Das Konzert im Neuburger Birdland Jazzclub ist das vorletzte über­haupt. Auf insgesamt acht CDs hat es das Ensemble in all den Jahren gebracht, und aus allen Phasen der Bandgeschichte gibt es Aus­schnitte zu hören an diesem ein­zigartigen Abend, den vor allem jene im Publi­kum nicht so schnell vergessen werden, die Musikern gerne beim Expe­rimentieren, beim Aufstoßen von Türen in weitge­hend unerforschte Regionen zu­sehen und zuhören.

Fünf absolute Individualisten sind da zugange, fünf, die ihre anscheinend nie versiegende Abenteuerlust als Solisten wie auch im Kollektiv ausleben, sich Freiheiten herausnehmen, die selbst im Jazz selten sind, das Publikum bezirzen, vor den Kopf stoßen, zu diversen Trips einladen, zu akustischen Entdeckerrei­sen. Ullmann, der Organisator aus Ber­lin, der Brite Julian Argülles am Bari­tonsaxofon und die drei Amerikaner Steve Swell an der Posaune, John Hébert am Kontrabass und Gerald Cleaver am Schlagzeug spielen nicht völlig losgelöst von allen Regeln, sind keine Free Jazzer, sondern gehören zur Nachfolgenerati­on. Es stehen sogar Notenpulte auf der Büh­ne, die Bläser wuchten messerschar­fe Themen, Motive, Riffs in den Raum, aus denen sich dann teils ausufernde Nummern ergeben mit ausnotierten Fix­punkten, an denen man sich orientieren kann. Die spontan zu Blöcken zusam­mengezogenen Einzelstücke wirken wie „Movements“, gehorchen Gesetzmäßig­keiten, wobei deren Einhaltung von Kon­zert zu Konzert zu völlig unterschiedli­chen Ergebnissen führe, wie Ullmann sagt. „Jeden Abend kommt was anderes dabei heraus. Des­halb machen und lie­ben wir diese Musik,“ sagt er.

Das Konzert ist ein musikalisches Ma­nifest für die Freiheit im künstlerischen Ausdruck, für das Hinwegfegen von Grenzen, auch von Regeln, außer von denen, die man sich freiwillig auferlegt hat. Deswegen münden freie Passagen, die den ersten Block charakterisieren, der in seiner Machart einen stellenweise an Carla Bleys Großwerk „Escalator Over The Hill“ denken lässt, später in griffige­re Abschnitte, in Passagen, in de­nen Bass und Schlagzeug im Untergrund bedenk­lich brodeln, während die Bläser für die Eruptionen sorgen, wobei bis hin zum Gebrauch le­diglich des Mundstücks bis hin zur Ge­räuschkulisse à la Albert Mangels­dorff natürlich alles erlaubt ist. Erstaun­lich sind der Druck und die In­tensität, mit der das alles geschieht, wohlgemerkt ohne jegliche akustische Verstärkung und – was im Quintett-For­mat ja auch ziemlich selten vorkommt – ohne jegli­ches Har­monieinstrument.

Bleibt die Frage, warum Ullmann die­ses herausragende Ensemble auflöst. Zu viele anderweitige Projekte? Das Verlan­gen auf neue Herausforderungen? Oder doch, wie man im Programmheft lesen kann, die Lust auf „eine Art (Un-)Ruhe­stand“ mit 66 Jahren? Wie auch immer. Man wird weiterhin von ihm hören. Wer eine derart großartige Formation über so lange Zeit am Laufen hält, der hört si­cherlich nicht einfach so auf.