Dass sich ein Pianotrio um einen Gastmusiker erweitert, wenn auch nur für eine kurze Tournee, ist im Jazz keine Seltenheit. Wenn die Chemie stimmt zwischen allen Beteiligten und alle auf der gleichen Wellenlänge liegen, können sich aus dieser Kombination verschiedener Talente durchaus große musikalische Momente und höchst erfreuliche Konzerte ergeben.
Als im Birdland Jazzclub im Keller der ehemaligen Hofapotheke in Neuburg der US-Pianist David Hazeltine und seine Partner, der Kontrabassist Aldo Zunino und der Schlagzeuger Bernd Reiter, auf den ebenfalls von jenseits des Atlantiks stammenden Trompeter Jim Rotondi treffen, tritt genau dieser Fall ein. Erfahrung genug haben sie fürwahr, die beiden Hauptsolisten und Strippenzieher dieses entspannten und doch stringenten Abends voll cooler Eleganz bei gleichzeitiger Leidenschaft. Hazeltine arbeitete mit Sonny Stitt, Lou Donaldson, Eddie Harris und Chet Baker, Rotondi mit Ray Charles und Lionel Hampton. Das sind schon mal nicht die schlechtesten Reverenzen. Beide kennen das Birdland recht gut und müssen bei dieser Vita sich und dem Publikum nichts mehr beweisen, tun jedoch den ganzen Abend über genau das, indem sie Zeugnis ablegen von ihrer Klasse, ihrer Kompetenz als Komponisten, Arrangeure und Solisten.
Die beiden Sets fließen entspannt dahin mit von Hand ausgewählten Standards und beider Eigenkompositionen, lässig und doch hoch konzentriert agiert dieses zum Quartett aufgestockte Trio, sensibel aber doch unerbittlich angetrieben von einer erstklassigen Rhythmussektion, heftig beklatscht vom Publikum im wieder einmal ausverkauften Jazzclub. Hazeltine’s „Minor Adjustment“ und sein „A.D. Bossa“, Rotondi’s „Higher Calling“ – das sind griffige, gut laufende Stücke mit herrlichen Themen, die verraten, dass beider Handschriften als Komponisten durchaus Parallelen aufweisen. Hazeltine’s rechte Hand am Flügel ist überaus verspielt, entführt das Publikum durchaus mal in luftige Höhen und gönnt sich immer wieder abenteuerliche Trips, während die linke die Bodenhaftung gewährleistet und für Orientierung sorgt mit riffartigen Figuren, Akkorden oder Akkordfolgen und Harmonien, auf denen man es sich genüsslich bequem machen kann. Rotondi hat in diesem Umfeld entschieden mehr Freiraum als als Teil der Dameronia’s Lecagy All-Stars, dem Oktett, mit dem er vor nicht allzu langer Zeit ja ebenfalls in der Region zu hören war. Und den nutzt er auch weidlich, lässt sich selber auf unwiderstehliche Art von der Leine und macht etwa Buddy Montgomery’s „Blues For David“ zu einem Highlight des Abends.
Am Ende gedenkt Hazeltine, sichtlich bewegt, mit der wunderschönen Ballade „Pearls“ seiner verstorbenen Mutter. Wenn man hört, wie einfühlsam er – und mit ihm die ganze Band – seine Verbundenheit mit ihr zum Ausdruck bringt, dann ist das bei aller Coolness doch ein sehr bewegender Moment. Ja, Musik kann nicht nur Spaß machen, virtuos komponiert und dargeboten werden, sondern in bestimmten Momenten auch verwundete Seelen trösten und gebrochene Herzen heilen, auf, vor, neben und hinter der Bühne. Und schönere Liebeserklärungen als musikalische sind ja sowieso nur schwerlich vorstellbar.